... il ... Phil ... Philip!! Wie aus weiter Ferne hörte er jemanden rufen. „Wach doch endlich auf!“ Benommen öffnete Philip die Augen und schaute in Josephines besorgtes Antlitz. Die Sonne war bereits aufgegangen.
„Meine Herren hattest du einen festen Schlaf“, deutlich war ihre Erleichterung, dass er endlich wach war, aus ihrer Stimme herauszuhören.
Als er zu ihr aufblickte, fiel ihm die halb verheilte Platzwunde über ihrer linken Augenbraue auf, die war ihm unten im Labyrinth gar nicht aufgefallen.
„Was ist eigentlich passiert? Ich weiß nur noch das der Boden unter mir plötzlich nachgab.“ Josephine hockte sich neben ihn in den warmen Sand.
Philip schloss für einen Moment die Augen, für einen kurzen Augenblick durchlebte er noch einmal den Schreckmoment. „Da gibt es nicht viel zu erzählen“, meinte er zögernd „Du hattest dich bei dem Sturz am Kopf verletzt und warst bewusstlos“, er schluckte hart, er dachte an all das Blut, das sie verloren hatte, wenn Marvolo sie nicht versorgt hätte... „Es hat eine ganze Weile gedauert bis ich dich gefunden hatte.“ Erst jetzt wurde ihm die Tragweite so recht bewusst. Gedankenverloren starrte er vor sich hin.
Josephine richtete sich auf. „Wir müssen da nochmal rein Phil und die Mondperle suchen“, meinte sie an ihn gewandt.
„Nein müssen wir nicht“, entgegnete Philip und zeigte ihr die schimmernde Kugel, „sie befand sich nicht weit von der Stelle wo ich dich gefunden habe“, erklärte er ihr ohne auf weitere Details einzugehen.
Nachdem sie aus den Säulen herausgetreten waren, blickte Philip noch einmal zurück, alles sah völlig unberührt aus. Ein kaltes Frösteln lief ihm trotz der Wärme über den Rücken, da drin hätte er beinahe Josephine verloren. Während der Reise nach Isla Paradiso war Philip still und in sich gekehrt.
Auch auf der Fahrt zur Insel sprach er kaum ein Wort.
Wieder ließen sie sich auf der Bank nieder, sie hatten beschlossen bis zum Abend zu warten, bevor sie Salina mithilfe der Muschel, die sie ihnen gegeben hatte rufen wollten.
„Was ist eigentlich mit dir los?“ Fragte Josephine unvermittelt. „Seit wir in diesem Labyrinth waren, scheint dich etwas zu beschäftigen.“
Für einen kurzen Moment überlegte Philip ihr von Marvolo zu erzählen, doch Josephine würde es fertigbringen Schnurstracks zu Marvolo zu gehen und sich eine Einmischung in ihr Leben zu verbitten. Und so verwarf er den Gedanken, wer weiß wie Marvolo dann reagieren würde.
„Ich hätte dich da drin beinah verloren Joh“, erwiderte Philip ausweichend. Der bloße Gedanke daran versetzte Philip einen Stich.
Josephine schmiegte sich an seine Schulter, „ich bin aber noch da Phil“, entgegnete sie leise. Ja sie war noch bei ihm, aber das war nicht sein Verdienst gewesen.
Philip fühlte sich hin- und hergerissen, einerseits hatte er sich geschworen ihr zu helfen den Fluch zu brechen, andererseits würde er sie viel lieber in Sicherheit wissen. Und dann war da auch noch Marvolos allgegenwärtige Präsens. Sein Blick streifte kurz das Amulett.
„Was hältst du eigentlich von Marvolo?“, fragte er aus seinen Gedanken heraus Josephine. „Wie kommst du denn jetzt auf Marvolo?“, erkundigte sie sich verwundert. Oh verdammt, durch fuhr es Philip als ihm klar wurde das er die Frage laut gestellt hatte.
„Ach ich weiß nicht, ich frag mich die ganze Zeit wie es kommt das er und Rosalinde Freundschaft geschlossen haben.“ versuchte Philip den heiklen Moment zu umschiffen. „Sie erscheinen mir so gegensätzlich.“
„Oh ich glaub nicht das Marvolo so gefühlskalt ist wie du ihn siehst. Er ist gnadenlos, sicher und er versteht es die Karten zu seinen Gunsten zu nutzen, aber er hat auch ein ziemlich starkes Ehrgefühl.“ erwiderte Josephine „Ehrlich gesagt fand ich ihn recht sympathisch. Ich mochte seine geradlinige Art. Hinter seiner kühlen Fassade versteckt er eine Menge Leidenschaft.“ Versonnen schaute Josephine aufs Meer hinaus.
„Außerdem glaub ich, dass er dich ganz gut leiden kann.“ sprach Josephine weiter. Konsterniert schaute Philip sie an „Wie kommst du denn da drauf?“ wollte er wissen. „Es war die Art wie er mit dir redete“, meinte Josephine „Von seinem Bruder zum Beispiel hält er nicht viel, den hat er ziemlich von oben herab behandelt. Mit dir hat er wie von gleich zu gleich geredet, du scheinst einen ziemlichen Eindruck auf ihn gemacht zu haben und ich schätze mal, das gelingt nicht jedem.“ Josephine lächelte verschmitzt.
Nachdenklich schaute Philip vor sich hin. So wie Mark die Fähigkeit hatte immer zu wissen, wo der Hase im Pfeffer lag, so hatte Josephine die Fähigkeit den wahren Kern eines Sims zu erfassen. Das Marvolo - mein junger Freund - zu ihm sagte, war also nicht nur so daher geredet von ihm. Philip dachte daran wie Marvolo Josephine angeschaut hatte bevor er verschwunden war, eine seltsame Entschlossenheit, die nichts mit Härte zu tun hatte, hatte darin gelegen. Und schlagartig wurde ihm klar, dass es nichts gab das Marvolo nicht für Josephine tun würde, um Kummer von ihr fernzuhalten, genau wie er selber.
Philip lehnte sich zurück und schaute ebenfalls hinaus aufs Meer. Er verspürte mit einem Mal eine gewisse Erleichterung. Sicher sie liebten beide dieselbe Frau, doch Marvolo hatte ihm auf seine ganz eigene Weise gezeigt, das er sich nicht in ihr Leben einmischen wird, solange er, Philip, an ihrer Seite war. Denn er war der Mann den Josephine liebte und Marvolo schien dies zu respektieren. Und vielleicht war es gar nicht so verkehrt, das es da jemanden gab der schützend seine Hand über Josephine hielt, wenn man bedenkt was sie bisher erlebt hatten auf ihrer Suche.