Woche 8, Tag 6 - Freitag
„Boah, du bist ja angespannt. Ein paar Lockerungsübungen täten dir gut. Behandelt man so einen Gast?“
„Gast?! Um ein Gast zu sein, hättest du eine Einladung von mir erhalten müssen. Was du hier treibst, fällt wohl eher unter Hausfriedensbruch!“, konterte Jordan, dem es immer schwerer fiel, nicht die Beherrschung zu verlieren.
„Ich wiederhole mich gerne für dich: WARUM BIST DU AUF MEINEM BOOT?“
„Das wird langsam echt langweilig. Ich dachte, ich kann dich auf der Reise nach Inseln in der Umgebung begleiten. Ich habe momentan viel Freizeit. Immerhin weißt du Dank mir, wie du mal woanders hinkommst. Klingt nach einem guten Deal, ne?“ Craig hielt sich die Hand vor den Mund. Er gähnte herzhaft.
„Ich werde langsam echt müde. Wo kann ich mich hier hinlegen?“
Gegen eine Begleitperson hätte Jordan in der Tat nichts einzuwenden gehabt. Aber Craig? Es war doch offensichtlich, dass sie zwei charakterlich einfach nicht kompatibel waren. Jordan konnte nicht verstehen, wie seine Schwester einen so guten Draht zu Craig entwickelt haben konnte. Sie hatte zuletzt regelrecht von ihm geschwärmt.
„In deinem Bett! In deinem Haus! Verschwinde!“
„Tjoar, wer nicht will, der hat schon.“ Craig zuckte mit den Achseln und wandte sich ab.
„Schneid dir mal eine Scheibe ab von deiner Schwester. Sie weiß, wie man das Leben genießt. See ya!“ Damit verschwand Craig die Treppe hinunter und kurze Zeit darauf hörte Jordan die Eingangstür ins Schloss fallen.
Das Wasser spritzte, als Craig in voller Bekleidung hineinsprang und Richtung Ufer schwamm. Jordan beobachtete das Schauspiel ungläubig. Er schüttelte den Kopf und atmete erleichtert auf.
Was war das bloß für ein komischer Kauz?
***
Woche 8, Tag 7 - Samstag - Woche 9, Tag 1 - Sonntag
Jordan war anderthalb Tage unterwegs gewesen, bis endlich die auf der Karte des Kapitäns verzeichnete Insel am Horizont auftauchte. Sie bot einen paradiesischen Anblick. Farbenprächtige Blumen und Pflanzen, die in den Himmel ragten, soweit das Auge blicken konnte.
Allerdings mahnte sich der begeisterte Entdecker zur Geduld. Die Abenddämmerung war bereits angebrochen und eine unbekannte Insel, bei der er nicht wusste, was ihn erwarten würde, wollte er nicht zu so später Stunde allein erkunden.
Auch wenn es ihm schwerfiel, konzentrierte er sich deshalb auf den Ausbau seiner theoretischen Gartenbau-Fertigkeiten.
***
Am nächsten Morgen fackelte Jordan nicht lang und ruderte vom Hausboot rüber zur Insel.
Es war eine kleine, fußläufig in der Gesamtfläche erkundbare Insel. Auch wenn sie einen paradiesischen Anblick bot, war sich Jordan ziemlich schnell sicher, dass dies nicht das Paradies sein konnte, von dem sein Vater berichtet hatte. Enttäuscht ließ er sich rücklings in das weiche Gras fallen und blickte hinauf in den Himmel.
Und jetzt? überlegte Jordan.
Die Insel hat das gewisse etwas für eine kleine, aber feine Wellnessoase. Keine zwei Tage und ich habe Geburtstag. Ob Latifa an mich denkt? Wird sie mich anrufen? Was sie jetzt wohl treibt ... ich hoffe, ihr geht es gut.
Vielleicht schippere ich einfach weiter durch die Gegend, weiter hinaus, solange bis meine Vorräte langsam knapp werden. Was habe ich schon zu verlieren? Keine Familie, keine Kinder ... keine Frau. Lopita ... Jordan schloss die Augen und seufzte. Bei dem Gedanken spürte er einen Stich in der Brust.
Ist es das alles wert gewesen? Nun bin ich unterwegs und was habe ich erreicht? Bisher nicht viel ... aber immerhin, zwei geheime Inseln habe ich entdeckt. Wer weiß, was es da draußen noch gibt. Ich muss weiter dranbleiben, sonst waren alle Opfer, alles was wir bisher erreicht haben, umsonst.
Er öffnete wieder die Augen, drehte sich herum und blickte auf die paradiesische Landschaft der Insel.
Ein Ort, der zum Träumen und Verweilen einlädt ...
Jordan schüttelte den Gedanken ab. Dazu hätte er noch genug Zeit, wenn er älter war.
„Genug Trübsal geblasen! Zeit, die Welt zu entdecken!“ Mit diesen Worten sprang er auf und klopfte sich die Erde vom Hintern.
Er neigte den Kopf etwas zur Seite, leicht irritiert, dass ihn nun eine Schatztruhe, verborgen inmitten der ganzen Pflanzen, anlachte.
„Na, wenn das kein gutes Omen ist!“
Rasch ging er zur Truhe und versuchte sie zu öffnen. Diese war zum Glück schon so alt und verrostet, dass er sie mit einiger Kraftanstrengung und einem kräftigen Ruck aufstoßen konnte.
In ihr befanden sich zahlreiche Edelsteine und über 1000 Golddublonen. Damit relativierten sich die Kosten für die Karte. Ob HunterX wusste, dass es am Ende eine Nullrechnung werden würde? Jordan konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Er musste zugeben, dass dieser Umstand ihn aufzumuntern wusste. So viel, wie in letzter Zeit seiner Meinung nach für ihn schiefgelaufen war, soviel hatte sich mit dieser Inseltour für ihn an positiven Aussichten für die Zukunft ergeben.
Jordan ruderte wieder zurück zum Hausboot, verstaute die gefundenen Kostbarkeiten und startete anschließend den Motor, um seine Reise fortzusetzen.
Auch wenn er mit seiner Schwester bereits die Umgebung um Isla Paradiso etwas erkundet hatte, hatte Jordan sich nun vorgenommen den Radius zu vergrößern und allein alle Nebelschwaden, die sich vor ihm ergeben sollten, genauestens unter die Lupe zu nehmen.
Durch die vorangegangenen Ereignisse hatte er nun auch Erfahrungswerte gesammelt, um gegebenenfalls herauszufinden, wie er diese durchbrechen konnte. Wenn er sich mittlerweile einer Sache sicher war, dann das jede dieser Nebelwände ein Geheimnis verbarg, dass es zu lüften galt.
Sein Lebensziel war nichts unversucht zu lassen, um diese unentdeckten Inseln zu finden und allesamt für sich zu beanspruchen.
Kommentare 8