
Monte Vista lag unter einer gleichmäßigen Schneedecke und es schien nicht aufhören zu wollen. Die Geräusche waren gedämpft und die Bewohner der Stadt hielten sich überwiegend in den Häusern auf.
Aurora hatte sich mit einigen ihrer Freundinnen zum Kaffee und gemeinsamen Plausch getroffen. Nun wollte sie sich allerdings auf den Heimweg machen. Es wurde nun doch recht schnell dunkel und da wollte sie nicht zu lange von zuhause wegbleiben.
Sie verabschiedete sich von der Tochter ihrer Freundin, die gerade nach Hause gekommen war und nun das Abendessen kochen wollte. Aurora versprach, bald mal wieder vorbeizukommen. Es war ein wunderschöner Nachmittag gewesen. Nun wollte sie sich aber beeilen, denn sie hatte ihren Enkelkindern versprochen, sie ins Bett zu bringen und noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen. Diese wollte sie auf keinen Fall warten lassen.
Sie lief vorsichtig zum Taxistand auf dem Markplatz von Monte Vista. Vorsichtig, weil überall Schnee lag und darunter so manche glatte Stelle lauerte. Ihre ohnehin schon alten Knochen, sollten durch einen Sturz nicht auch noch brechen.
Plötzlich überkam sie ein leichtes Gefühl. Sie spürte ihre Schmerzen in den Gelenken gar nicht, die sich sonst bei feuchtem und kaltem Wetter leider nicht verscheuchen ließen. Überrascht sah sie an sich herab.
Was passierte mit ihr? Ein Leuchten erstrahlte und die Leichtigkeit nahm immer mehr zu. Angst verspürte sie allerdings nicht.
Im nächsten Augenblick zeigte sich vor ihr eine dunkle Gestalt, doch auch jetzt verspürte Aurora keine Angst. Die Gestalt stellte sich ihr vor und erklärte, dass er sie nun zu Luca bringen würde, der schon sehnsüchtig auf sie warte.
Ja, das wollte Aurora gerne und im nächsten Moment, war nur noch die dunkle Gestalt zu sehen, die allerdings wenige Sekunden später ebenfalls verschwand. Alles war lautlos von statten gegangen. Niemand hatte etwas mitbekommen.
Alessio saß in Omas Schaukelstuhl und wartete, bis die geliebte Großmutter endlich von ihrem Kaffeeklatsch bei der Freundin nach Hause kam. Dann würde er sich zusammen mit ihr in sein Zimmer zurückziehen und sie würde ihm vorlesen, bis er eingeschlafen war. Das Buch hatte er bereits bereitgelegt.
Doch Oma Aurora kam nicht. Stattdessen kam Alessios Mutter ins Zimmer mit einem traurigen Blick. Ihr tat es weh, ihren Sohn so wartend zu sehen und nun musste sie ihm auch noch sagen, dass seine Oma nie wieder zurückkommen würde.
Behutsam und möglichst kindgerecht erklärte Nellie ihrem Sohn was passiert war. Alessio nahm die Nachricht entsprechend auf. Er war am Boden zerstört, reagierte erst trotzig, dass ihm seine Oma schließlich versprochen hatte, ihn heute ins Bett zu bringen, um schließlich in Tränen auszubrechen.
Jeden Versuch, ihn in den Arm zu nehmen, stieß Alessio von sich. Er wollte jetzt nicht in den Arm genommen werden. Die Welt war so ungerecht. Warum musste nun auch seine Oma sterben. War es nicht genug, dass sein Opa nicht mehr da war?
Tamino schlief in seinem Bett und bekam von den traurigen Szenen nichts mit. Er hätte es ohnehin nicht verstanden.
Als er aufwachte und nach seinem Fläschchen verlangte, hob ihn Nellie sofort aus dem Bettchen. Traurig dachte sie daran, dass Tamino seine Großeltern, die immer alles für ihre Kinder und Enkel gegeben hatten, nie richtig kennenlernen konnte. Das machte sie sehr traurig.
Tamino war aber nicht traurig. Er lächelte glücklich vor sich hin.
Mach's gut Aurora.