
Lisa trat nach draußen an die frische Luft. Sie hatte ein merkwürdiges Gefühl, wie man es nur kannte, wenn etwas Neues vor einem lag und man nicht wusste, was einen nun erwartete. Heute hatte sie ihr Abschlusszeugnis im Rahmen einer großen Abschiedsfeier an der Schule erhalten, in die sie so viele Jahre hatte gehen müssen und die sie heute zum letzten Mal gesehen hatte.
Stolz sah sie auf ihr Zeugnis, das sie in ihrer Rechten hielt. Endlich konnte sie machen, was sie wollte. Es hatte sie immer geärgert, dass die Lehrer ihre Kreativität so unterdrückt hatten. Zumindest hatte sie immer das Gefühl gehabt, sich nicht völlig frei entfalten zu können.
Überglücklich warf sie ihr Zeugnis in die Luft, um es kurze Zeit später wieder aufzufangen. Laura und Marco gesellten sich zu ihr, während ihre Eltern noch drinnen waren, um sich von den Lehrern und anderen Eltern zu verabschieden.
Nach dem Festessen, das sich die Familie in dem örtlichen Restaurant gegönnt hatte, saßen Lisa und Marco zuhause zusammen auf der Couch im Wohnzimmer. Lisa wusste, dass Marco genervt sein würde, wenn sie das Thema gleich ansprechen würde, doch das war ihr egal. Heute war ihr eigentlich alles egal.
Tatsächlich zuckte Marco beim Thema Universität zusammen. Ja, er hatte nur widerwillig zugestimmt, als seine Eltern ihm nahegelegt hatten, sich endlich an der Uni einzuschreiben und er da er wusste, dass sie nur ungern zugestimmt hatten, als Laura ihnen damals gesagt hatte, dass sie nicht studieren wollte, hatte er sich gefügt. Naja, vielleicht würde es ja gar nicht so schlimm werden – Partys konnte man dort ja auch feiern.
Nur wenige Wochen später hatten Marco und Lisa ihre Koffer gepackt und waren aufgebrochen, um an der Universität den letzten Schliff für ihre berufliche Zukunft zu erhalten.
Einige Stunden später waren sie an ihrer neuen Bleibe angekommen. Sie hatten sich zusammen ein Haus gemietet, was günstiger war, als wenn sie jeder in einem kleinen Zimmer hausen mussten, womöglich noch mit irgendwelchen merkwürdigen Kommilitonen.
Der Taxifahrer hatte die Koffer auf die Straße gestellt und war davongebraust und so schnappten sich die beiden Studenten ihre Sachen und liefen ins Haus. Viel hatten sie ohnehin nicht mitgenommen. Der Rest würde sich schon irgendwie ergeben.
Lisa bezog eines der hellsten Zimmer im Haus, das so viele Zimmer bot, dass durchaus noch weitere Studenten hier hätten wohnen können. Das Zimmer mit den großen Fenstern war
einfach ideal für sie, da sie hier malen konnte wie in einem richtigen Atelier. Natürlich hatte Lisa den Fachbereich Kunst gewählt.
Marco hatte auf der Terrasse eine merkwürdige Apparatur entdeckt und daran herumgespielt. Ob das allerdings so eine gute Idee war, sich auch noch selbst darunterzusetzen? Wer wusste schon, was da nicht alles passieren konnte.
Einige Wochen später musste Lisa ein Referat halten. Es war schon ein wenig aufregend, denn man konnte die Größen der Vorlesungen kaum mit der Anzahl der Schüler in einer normalen Schulklasse vergleichen. Das hatte schon eine andere Dimension. Trotzdem schaffte sie es ohne Probleme oder Ausfälle ihren Text vorzutragen.
Als Lisa am Nachmittag nach Hause kam, stand auf dem Tisch im Esszimmer ein Teller, der dort offenbar schon eine ganze Weile gestanden hatte und den bereits die Fliegen umkreisten. Lisa zog entnervt die Nase hoch. Eigentlich war Marco nämlich an der Reihe mit Saubermachen. So hatten sie es ausgemacht.
Marco hatte jedoch anderes zu tun. Er lag in seinem Zimmer auf dem Bett und machte ein Nickerchen. Er hatte keine Vorlesung und somit nichts zu tun. Also lümmelte er nur so herum.
Später setzte er sich noch vor den PC und zockte verschiedene Spiele, die er mit hierhergebracht hatte. Dass Lisa inzwischen schon hinter ihm hergeräumt hatte, war ihm gar nicht aufgefallen. Lisa war einfach zu gutmütig. Die Frage war nur – wie lange noch?
Am nächsten Morgen gingen die beiden – mehr oder weniger motiviert – zu den Unterrichtsgebäuden. Während Lisa mal wieder voller Tatendrang war, war Marco nur schwer in die Gänge gekommen…