Mir klopfte das Herz noch immer bis zum Hals, als ich das notdürftig eingerichtete Büro verließ. Wie auch immer diese Angelegenheit auch ausgehen mochte, mein Boss würde mit Thornton eine harte Nuss zu knacken haben. Es war freilich nicht das erste mal, dass jemand von einer Versicherung hier aufschlug, aber dieses Mal war es ein völlig anderes Kaliber.
Ich hatte zunächst nicht gewusst, was ich erwarten sollte, als Mr. Denver uns mitteilte, dass die Locksmith einen ihrer Gutachter hierher beordern würde. Malloy und ich waren als Empfangskomitee abkommandiert worden. Kaum hatten sich die Zugtüren geöffnet, wurde ich auch schon von einer dichten, graublauen Rauchwolke in begrüßt, hinter der mich ein Paar kristallklarer Augen durchdringend musterten, gefolgt von einem festen Händedruck. Ich hatte mich beherrschen müssen nicht los zu husten oder etwas Dummes zu sagen.
Es war genau dieser Moment gewesen, indem mir klar geworden war, dass sich unser Unterfangen von nun an eine ganze Ecke komplizierter gestalten würde. Womit ich jedoch nicht gerechnet hätte, war, dass Thornton als derart hartnäckig erweisen würde. Burschikos zwar, aber mit burschikos konnte ich arbeiten. Ginge das so weiter, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis wir auffliegen würden.
Nachdem wir dann den Unfallort in Augenschein genommen hatten, war das seichte Nieseln schon bald in Starkregen umgeschwungen und wir hatten es uns zu viert in der Bergungsstation bequem gemacht. Oder sollte ich lieber sagen, dass unser Neuzugang die erst kürzlich freigewordene Schlafstatt ohne viel Federlesens für sich beansprucht und uns verbannt hatte.
Lediglich zum Unterziehen der Befragungen sei uns der Eintritt gestattet, so Thornton. Nun aber da ich das Verhör hinter mich gebracht hatte, entschied ich mich für eine kleine Stärkung. Diese hatte ich mir auch redlich verdient. In der Küche kreuzte ich den Blick mit Mr. Malloy, der als nächstes an der Reihe war. Was in seinen dunklen Augen geschrieben stand, vermochte ich wie immer nicht zu deuten. Auch wenn wir nun schon über ein halbes Jahr eng zusammenarbeiten, wusste ich noch immer so gut wie nichts über ihn. Ich war gespannt, ob Thornton wohl mehr Erfolg beim ihm hätte als ich.
Zum Frühstück gab es wie jeden Morgen Dosenfutter und altes Schmalzgebäck.
Doch noch bevor ich zu Ende gegessen hatte, war die Unterredung auch schon vorbei. Ich löste mir gerade einen großen Brocken undefinierten Teigs, mit dem ich einem erwachsenen Mann hätte den Schädel einschlagen können, gerade in einer Tasse kochend heißen Etwas auf, als die Tür zum Untersuchungszimmer jäh aufschlug.
Ich schluckte den letzten Bissen mit eben jener gluckernden Substanz herunter, die wohl an Kaffee erinnern sollte und wartete Gespannt, wer wohl als erster den Raum verlassen würde.
Zu meiner Überraschung trat Thornton mit missmutigem Gesichtsausdruck heraus, setzte sich an meinen Platz und annektierte kurzerhand, was von meinem kargen Mahl übrig geblieben war.
"Lassen Sie mich raten: Sie haben nichts aus ihm rausbekommen."
"Nichts weiter, als technisches Wischiwaschi, es hätte einen Unterdruck in der Kammer gegeben."
Bei diesen Worten nahm Thornton einen kräftigen Schluck aus meiner Tasse, der jedoch fast sofort wieder ausgespien wurde.
"Pfui! Was ist das denn für ne Plörre?"
Ich schenkte ihr mein bezauberndstes Lächeln: "Kaffee."
"Haha, sehr witzig. Haben Sie hier draußen nichts anderes, womit man seine Wut herunterspülen kann?"
"Ich fürchte Sie müssen sich hiermit begnügen."
"Wie schon Mr. Denver am Vortag, besteht auch Mr. Malloy auf einer Beschädigung von Außen. Und wo wir schon gerade von Ihrem Boss reden, wo bitteschön steckt Mr. Denver eigentlich? Ich habe ihn noch gar nicht befragt."
"Ich fürchte Mr. Denvers hat heute geschäftlich zu tun und hat noch am frühen Morgen die Stadt mit dem ersten auslaufenden Zug verlassen."
Als ich sah, dass Thornton diese Antwort ebenso gut zu schmecken schien wie mein Kaffee, fügte ich noch eilig hinzu: "Aber vielleicht könnte ich Ihnen ja dabei behilflich sein, die Aussagen unseres Technikers einzuordnen."
"Was gibt es da einzuordnen? Lose Sicherheitsbolzen hier, abgetrennter Kautschuk da, welche den Unterdruck in der Kammer begünstigten. Die Verschleißspuren seien dabei jedoch kein Produkt von unsachgemäßen Aufbau- oder mangelnden Wartungsarbeiten, sondern hervorgerufen durch die unberechenbar starke Strömung und daher vertragstechnisch von der Unfallversicherung abgedeckt", rezitierte mein Gegenüber lustlos.
"Aber Sie denken noch immer, dass wir dafür verantwortlich sind, richtig? Nur zu Ihrer Information: Ich war sowohl an dem Aufbau der Glocke als auch an den Tauchgängen direkt beteiligt. Denken Sie wirklich ich würde bei einer Konstruktion schlampen, von der mein Leben abhängt?!"
"Sonderlich viel Wert auf Sicherheit scheint mir bei Ihren Arbeitsbedingungen ja nicht gelegt zu werden. Ich habe Mr. Malloy auch wegen des Verbandes an seinem Ohr befragt. Können Sie sich denken, was er darauf erwiderte?"
Wie durchschaubar, aber spaßeshalber biss ich an.
"Soweit ich mich recht entsinne, hatte er sich sein Ohrläppchen bei den Aufbauten für den Kran wegen einer herausspringenden Schraubenmutter leicht angerissen."
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie sich nun auch der Angesprochene zu uns gesellte. Dabei sagte er nichts, sondern blieb nur stumm im Türrahmen stehen.
Auch Thornton musste sein Kommen bemerkt haben, nickte aber nur. "Genau dasselbe hat er mir auch erzählt."
"Na, dann ist doch alles wunderbar oder etwa nicht?"
"Wir werden sehen. Zuvor muss ich mir noch einmal die Tauchkammer genauer Anschauen. Sollten tatsächlich Abnutzungsspuren von Außen entstanden sein, so müsste ich diese in meinem Bericht nachweisen."
Mit so etwas hatte ich bereits gerechnet. Ich willigte ein, nicht wissend, dass es nicht bei einer Forderung bleiben würde.
"Wenn Sie gestatten, werde ich Sie heute bei Ihrer Arbeit begleiten."
Bei diesen Worten warf mir Malloy einen finsteren Blick zu.
Ich sah einen Moment zwischen ihm und Thornton hin und her, ehe ich antwortete: "Und was ist, wenn wir nicht gestatten?"
Schon wieder beugten sich diese kristallklaren Augen zu mir vor, als würden sie geradewegs durch mich hindurchsehen.
"Ich habe lediglich des Anstands halber gefragt. Gehen wir!"