Seit Gianna ihren Beruf als Journalistin an den Nagel gehängt hatte, war sie die meiste Zeit zuhause. Sie genoss es sehr, morgens nicht mehr aus dem Haus hetzen zu müssen und stattdessen gemeinsam mit ihren Kindern zu frühstücken. Das war in der Vergangenheit oft viel zu kurz gekommen.
Sobald die Kinder aus dem Hause waren und die Hausarbeit erledigt war, setzte sich Gianna an ihren Computer und schrieb an einem neuen Roman oder erledigte sonstige Arbeiten. Manchmal machte sie auch gar nichts, sondern ließ alle Fünfe gerade sein.
Marcos Geburtstag stand als nächstes im Kalender und natürlich gab es zu diesem Anlass auch wieder eine Geburtstagstorte. Lisa war ganz begeistert, doch Marco störte, dass sie pink war. Pink war eine Mädchenfarbe und da ließ er sich auch nicht beruhigen, dass auch viel blauer Zuckerguss vorhanden war. Viel lieber hätte er eine Schokotorte gehabt.
„Mensch, Marco. Jetzt blas doch endlich die Kerzen aus! Und vergiss bloß nicht, dir etwas zu wünschen!“ Lisa war so aufgeregt, als hätte sie selbst Geburtstag.
„Ja, ja! Mach bloß keinen Stress! Wirst schon noch dein Stück Torte bekommen!“ Marco war bereits etwas genervt. Er hasste es angetrieben zu werden.
Er stieg auf einen Hocker, damit er die Kerzen gut würde auspusten können.
Dann überlegte er angestrengt. Es war wichtig den Wunsch richtig zu formulieren, sonst würde er womöglich nicht in Erfüllung gehen! Marco wollte deshalb kein Risiko eingehen und ließ sich auch von Lisa nicht hetzen.
Das Geburtstagskind holte tief Luft und schon ging es los.
Kurz sträubten sich die kleinen Flammen noch, hatten dem Luftstrom schließlich jedoch nichts mehr entgegenzusetzen.
Die Flämmchen gingen aus, Marco klatschte begeistert in die Hände. Wenn alle Kerzen gleichzeitig ausgingen, standen die Chancen gut, dass sich sein Wunsch auch erfüllte. Lisa lärmte mit ihrer Ratsche und hatte sichtlich Spaß dabei.
Neben sämtlichen Familienmitgliedern durfte auch Marcos bester Schulfreund an seinem Geburtstag dabei sein. Dieser hatte noch das Drachenkostüm an, denn Marco und er hatten zuvor noch Verkleiden gespielt.
Nachdem Marco die Kerzen ausgeblasen hatte, stieg er von dem kleinen Schemel herunter, um bei der Verwandlung zum Teenager nicht abzustürzen.
Dann ging alles sehr schnell. Als der Alterungsprozess abgeschlossen war, nahm Marco zunächst ein Stück Torte und setzte sich an den Tisch. Seine Familie und sein Freund folgten seinem Beispiel. Sie saßen noch eine ganze Weile da und unterhielten sich.
Dann hielt es Marco nicht mehr aus und ging ins Badezimmer. Dort begutachtete er sich ausgiebig im Spiegel. Er fand, dass er mit seinem Aussehen ganz zufrieden sein konnte.
Plötzlich klingelte es an der Haustüre. Nanu, wer konnte das wohl sein? Er erwartete niemanden mehr.
Marco ging nach unten und sah bereits durch die Tür eine seltsame Gestalt
im Lama-Kostüm. Was sollte das? War denn schon wieder Halloween?
Als er hinaustrat erklärte ihm der junge Mann, dass er das Universitätsmaskottchen sei, der ihm ein paar Give-aways bringen wollte, um ihn auf die Uni einzustimmen.
Marco war überrascht. Er hatte sich da noch keine Gedanken darüber gemacht und fand es komisch, dass jetzt schon jemand von der Uni zu ihm kam. Der junge Mann erklärte ihm, dass das normal sei, um die jungen Leute zu animieren, sich in der Schule noch ein bisschen mehr anzustrengen, bevor der Abschluss nahte und damit die böse Überraschung, wenn sie in dem ein oder anderen Fach nicht genügend gelernt hatten. Marco bedankte sich und beeilte sich, schnell wieder zu seiner Familie zu kommen. So ganz geheuer war ihm der Mann nämlich nicht.