Woche 10, Tag 3 - Dienstag
In aller Frühe brach Latifa erneut allein auf zum Perlengrund. Mit ihrem neuen Schnellboot düste sie über das Wasser. Hier und da verschluckte sich der Motor, aber im Großen und Ganzen kam sie gut voran.
Vor ihrem Aufbruch hatte sie versucht Jordan nochmal zu erreichen. Leider ohne Erfolg. Vermutlich hatte er, wo auch immer er gerade steckte, einfach keinen Empfang.
Craig hatte ihr gesagt, dass sie darauf vertrauen sollte, dass sie es schaffen würde. Dabei hatte er ihr aber nicht gesagt, was sie eigentlich schaffen sollte und was sie in der Höhle erwarten würde.
Latifa warf sich in den Tauchanzug, den sie von Craig erhalten hatte und stieg langsam hinab in die Tiefe.
Als sie weit genug hinabgesunken war, atmete sie einmal tief ein und aus, sammelte ihre Kräfte und schwamm direkt auf die Höhle zu.
Augen zu und durch. Ich habe einen Schutzengel und Craig hat mir versichert, dass ich es mit diesem Anzug schaffen muss. Was soll schon schief gehen?
Auch wenn die geübte Taucherin sich das alles immer wieder mantraartig ins Gewissen rief, konnte sie das mulmige Gefühl nicht komplett abstellen.
Mal sehen, wohin du mich dieses Mal treibst!
Sie spürte das Pulsieren ihres Herzschlages im ganzen Körper. Mit jedem Meter wurde er schneller, die Aufregung stieg, so wie auch die Male zuvor.
Latifa schwamm hinein in die Höhle und wurde von der Dunkelheit verschlungen.
Auch wenn sie kaum etwas sehen konnte, wurde sie von einem starken Strom vorwärtsgetrieben. Die Kräfte, die sie beim letzten Mal unkontrolliert durch die Gegend geschleudert hatten, schienen sie dieses Mal geradewegs durch die Höhle zu führen.
Lag das tatsächlich an dem Anzug?
Latifa trieb immer weiter mit dem Strom. Sie wusste nicht, wie lange sie schon durch den Tunnel gezogen wurde, als sie endlich ein Licht am Ende erblickte.
Ein Ausgang aus dem Höhlensystem und Latifa war gewillt herauszufinden, wohin dieser sie führen würde.
Nachdem sie diesen passiert hatte, wurde die Wasseroberfläche sichtbar.
Auf der anderen Seite des Wassers konnte Latifa Palmen ausmachen. Der mitreißende Strudel hatte sie wieder ihren eigenen Kräften überlassen und so stieg sie die letzten paar Meter selbst hinauf, bis sie die Wasseroberfläche mit dem Kopf durchbrach.
Tatsächlich befand sich ein weiter leerer Sandstrand vor ihr. Es war weit und breit niemand zu sehen.
Latifa spürte ein Kribbeln auf der Haut. Sie zog den Helm ab und entledigte sich der schweren Taucherkluft. Dann watete sie langsam durch das Wasser Richtung Strand.
Sie war sich nicht sicher, was ihr nun an diesem Ort bevorstand. Was erwartete sie hier? Sie erkannte inmitten einer Felsformation eine Truhe. So platziert, als warte sie bereits darauf, von ihr entdeckt und geöffnet zu werden.
Latifa schlenderte durch das knietiefe Wasser hinüber zur Truhe.
Als sie den Deckel anhob, kam neben einigen wertvollen Edelmetallen und Golddublonen ein großes Muschelhorn zum Vorschein.
Latifa erinnerte sich daran, wie sie und ihr Bruder als Kinder in solche Muscheln geblasen hatten und spielten, dass sie damit einen Riesenkraken beschwören konnten. Natürlich war das nie wahr geworden, sondern blieb ein spielerisches Element ihrer Fantasie.
Latifa biss sich auf die Lippe. Sie konnte nicht widerstehen, setzte das Muschelhorn an und blies den gesamten Inhalt ihrer Lungen hinein.
TRÖÖÖT!
Das Dröhnen drang durch die Öffnung und wurde über die Weiten des Ozeans getragen.
Und jetzt? überlegte Latifa, während sie hinaus auf den Ozean blickte.
Ein leiser, ihr bekannter Singsang drang dabei plötzlich an ihr Ohr.
Lalaaaaalalaaaaa...
Es kam immer näher und aufmerksam richtete Latifa ihren Blick auf die entsprechende Richtung.
In der Ferne am Horizont zeichneten sich erste Bewegungen ab. Etwas bewegte sich rasch auf sie zu.
Einige Minuten später, in der sich die Schwanzflosse weiter auf sie zu bewegte, bekam Latifa eine Ahnung davon, worum es sich dabei handelte.
Sie wagte es nicht wegzusehen und so blieb ihr Blick die ganze Zeit auf dem fabelhaften Wesen haften, das auf sie zu schwamm.
Die Meerjungfrau tauchte ein letztes Mal ins Wasser, um beim nächsten Auftauchen kurz vor dem Strand anzuhalten. Die glänzende, lilafarbene Flosse verwandelte sich in zwei schuppige Beine und die Meerjungfrau watschelte die letzten paar Meter zu ihr hinüber.
„Hallo, ich bin Hinni!“, begrüßte sie Latifa.
„Wir haben schon auf dich gewartet. Endlich hast du es geschafft, sehr schön.“
Latifa war perplex und wusste nicht, was sie sagen sollte. Konnte sie ihren Augen trauen? Passierte das hier gerade wirklich?
„Hi“, brachte sie bloß staunend heraus, während Hinni an ihr vorbei trat und gähnte.
„Diese Sonne macht mich immer so müde. Ich hasse es an Land zu sein.“
Dann drehte sie sich herum zu Latifa.
„Also machen wir besser schnell, ich bin lieber im Wasser als an Land. Hier fühle ich mich immer so fehl am Platz. Mal abseits davon, dass wir gerade gewaltig gegen die Gesetze des Meeres verstoßen.“
„Die Gesetze des Meeres?“
Hinni nickte. „Ja, die Gesetze des Meeres. Keine Zeit, dir das im Detail zu erklären, aber wichtig ist, dass das was wir hier treiben, eigentlich nicht erlaubt ist. Also lass uns schnell zur Sache kommen.“
Die Farbe der Schuppen an Hinnis Beinen kamen Latifa bekannt vor. Sie erinnerten sie an die Schwanzflosse, die sie vor einigen Tagen zu sehen geglaubt hatte. Deshalb kam sie nicht umhin zu fragen:
„Hast du mich ... gerettet?“
„Das letzte Mal, ja. Das Mal davor war das nicht mein verdienst. Wir haben nicht mehr viel Zeit, heb dir deine Fragen noch etwas auf."
"Ich zeige dir erstmal den schnellsten Weg zurück. Ruh dich gut aus und treffe mich morgenfrüh am Eingang der Höhle wieder.“
„Ist es eine weite Strecke?“, fragte Latifa.
„Wie man es nimmt!“, erwiderte Hinni, während sich ihre schuppigen Beine wieder in eine prächtig schillernde Schwanzflosse verwandelten.
„Folge mir!“ Hinni schwamm los und Latifa folgte ihr.
***
Fun-Fact zum Retro-Anzug
Tatsächlich habe ich mir die Geschichte mit dem Taucheranzug nicht ausgedacht. Etliche Versuche, die Höhle zu erkunden, schlugen fehl und Latifa wurde immer auf die Insel von letztens gebeamt. Irgendwann habe ich bemerkt, dass sie mit dem Perfektionieren der Tauchfähigkeit den Retro-Anzug erhalten hat ... und direkt beim ersten Versuch damit klappte die Höhlenerkundung Sims halt ... (ich geh jetzt mal nicht von aus, dass das so beabsichtigt war von EA ...)
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