Woche 10, Tag 1 - Sonntag
Latifa sprintete von der Anlegestelle den Berg hinauf bis zur Burg in der Craig lebte.
Nachdem sie ihre Akkus am Tag zuvor wieder aufgeladen hatte, war sie von der Tropenoase aus, auf dem schnellsten Weg Richtung Zuhause, los geschippert.
Die Strapazen der Tauchaktion wogen immer noch schwer in ihren Knochen, aber der Drang herauszufinden, was es mit dem Singsang auf sich hatte und ob sie drauf und dran war den Verstand zu verlieren, trieben sie an.
Latifa war sich sicher, dass Craig ihr in irgendeiner Form weiterhelfen konnte.
Wenn einer das konnte, dann er! Er hatte ihnen mit der Insel weiterhelfen können, warum sollte er nicht auch etwas über den Perlengrund wissen?
Latifa hoffte darauf, dass er eine Idee hatte, wie die Sachen, die sie zu sehen und zu hören geglaubt hatte, einzuordnen waren.
Auf den letzten paar Metern erkannte sie, dass kein Auto in der Einfahrt stand.
„Craig, bist du da?!“, brüllte sie beim Rennen. „Craig?! Irgendwer zuhause?“
Doch es regte sich nichts. Latifa stieg die Treppen hinauf bis zum Tor und hämmerte dagegen.
Nun war sie sich sicher, dass niemand zuhause war.
Verdammt, dachte sie enttäuscht und stieg die zahlreichen Stufen wieder hinab bis zum Briefkasten.
Sie kramte ihr Handy aus der Tasche und wählte Craig’s Nummer. Es klingelte dreimal, dann nahm er ab.
„Hey Lati, wie geht’s dir?“
„Hi Craig, ich steh gerade vor deinem Ha ...“, beim Aussprechen des Wortes, dachte sie an das riesige Gemäuer hinter sich. Das war wahrlich mehr als ein Haus. Sie korrigierte sich: „... vor deiner Burg. Ich muss unbedingt mit dir sprechen, wann bist du wieder da?“
Es raschelte. Im Hintergrund hörte Latifa Musik und Stimmen. Craig antwortete nicht sofort, stattdessen schien er sich von der Geräuschquelle wegzubewegen. Ein dumpfer Knall, dann war es plötzlich ruhig.
“Kommt ganz drauf an. Worüber willst du mit mir sprechen? Mach mich neugierig, dann komm ich so schnell ich kann. Langweile mich, dann nie.”
“Das krieg ich am Telefon niemals gescheit zusammen.”
Latifa hörte ein lautes Gähnen. Sie verstand, dass Craig ihr damit nur seinen Standpunkt verdeutlichen wollte. Sie musste überzeugen, also versuchte sie ihr bestes und hoffte, dass es reichen würde, um ihn schnellstmöglich nach Hause zu locken.
“Was kannst du mir über den Perlengrund erzählen? Es gibt dort eine Höhle, die ich erkunden wollte, ... aber irgendwas blockiert mich. Andererseits hat mich irgendwas gerettet ... es ist alles so verrückt.”
Latifa wartete einen Augenblick. Was sie zusammen gequasselt hatte, musste sich sehr wirr anhören. Voller Spannung hielt sie die Luft an und versuchte zu überlegen, wie sie besser ansetzen konnte. Doch Craig erlöste sie kurz darauf von der Grübelei.
“Der Perlengrund sagst du? Interessant, sehr interessant.”
Latifa atmete erleichtert auf. Aufgeregt rief sie:
“Das heißt, du kommst?”
“Hast du die Truhe am Höhleneingang aufbekommen?”
“Ja, das habe ich! Wobei ich nicht genau weiß, warum eigentlich.”
“Mhm ... ich bin um 15:00 Uhr wieder zuhause. Wir treffen uns dort. See ya!”
Latifa spürte, wie alle Anspannung von ihr wisch. Sie musste sich zwar noch einige Stunden gedulden, bis sie mit Craig sprechen konnte, aber zumindest war ein Ende in Sicht. Zum Glück hatte sie sowieso alles mitgeschleppt, was sie gefunden hatte, da sie Craig auch sein Boot zurückgeben und anschließend ein Schnellboot organisieren wollte. Mit all den Kostbarkeiten, die sie in den letzten Tagen gefunden hatte, dürfte das kein Problem darstellen.
Sie überlegte kurz sich die Wartezeit totzuschlagen, indem sie am Kristallwasserstrand schwimmen ging.
Nachdem sie die Bedenken beiseite gewischt hatte, dass sie Matthew damit in die Arme laufen würde, schlenderte sie hinüber zum Strand.
Nur weil er in der Nähe des Strandes lebte, hieß es nicht, dass sie sich begegnen mussten. Außerdem war Sonntag, also war es wahrscheinlich, dass er im Stadion arbeitete und gar nicht zuhause war.
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