Liebes Tagebuch,
ich muss schon sagen, der gestrige Tag steckt mir ganz schön in den Knochen. So nah bin ich dem Sensenmann noch nie gekommen und entsprechend hat er mich heute Nacht in meinen Albträumen verfolgt. Und ich habe geborgte Zeit für einen Fremden herausgeschlagen.
Hoffentlich ist das keine Zeit, die eines Tages von meinen Großeltern oder von mir abgezogen wird.
Auf jeden Fall muss ich sagen, dass der Luxus dieses Campingplatztes mir sehr fehlen wird. Fließendes Wasser am Becken zum Abwaschen und Zähneputzen, jederzeit eine Dusche (nur lauwarm, aber was soll´s?) und eine Kühlbox mit Lebensmitteln, die sonst in den Müll wandern würden. Was will ich eigentlich mehr? Leider kann ich nicht bleiben, da es jetzt wärmer werden soll und der Campingplatz ab dem Nachmittag voll belegt sein wird.
Allerdings hat der Besitzer mir angeboten, dass ich jederzeit anrufen darf, um zu fragen, ob etwas frei ist. Und wenn es gar nicht geht, darf ich sogar mal mein Zelt auf dem "Notplatz" in der Auffahrt aufstellen. Das wird dann nicht bequem, aber das Angebot ist natürlich großartig!
Während im am Mittag noch einen Platz am Lagerfeuer gegen die neuen Camper verteidigte, setzte sich auf einmal jemand ungefragt und ganz leise neben mich.
Es war der Mann, dem ich die geborgte Zeit verschafft hatte! Ganz sprachlos starrte ich ihn an und ließ beinahe meinen Fisch verkohlen. Mit dunkler, trauriger Stimme erklärte er mir, dass er Benny hieße und obdachlos war. Gelegentlich, und auch heute, arbeitete er auf dem Campingplatz als Gärtner. Er dankte mir, dass ich den Sensenmann umgestimmt hatte. Dann war er lange Zeit still und verriet mir schließlich, dass ich unbedingt einmal am Steinbruch fischen sollte. Dann verabschiedete er sich und verschwand. Er wirkte sehr einsam auf mich. Man merkte, dass er nicht oft mit Menschen redete und ich war sehr gerührt, dass er es gewagt hatte mich anzusprechen.
Benny hatte mir im Gespräch noch einen grandiosen Angelplatz an einem Wasserfall verraten, an dem ich auch gleich wieder Glück beim Fischen hatte. Tatsächlich kam ich mit der Angel viel besser zurecht, als ich zunächst gedacht hätte. Mein Großvater hat mir hier die Anfänge beigebracht. Es ist noch keine Email meiner Großeltern gekommen...
Weil ich aber wirklich nicht immer NUR Fisch essen mag, erkundete ich ein bisschen die Gegen und schaute, was ich an wilden Pflanzen, die ich kannte so ernten könnte. An einem Apfelbaum hingen tatsächlich noch einige Äpfel aus dem letzten Herbst, die nicht total vergammelt waren. Beim Essen passte ich gut auf, dass ich keine Kerne zerkaute, sondern sie sorgfältig aufbewahrte. Eines Tages werde ich einen Garten anlegen. Und den ersten Apfelbaum pflanze ich für Benny!
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