Woche 8, Tag 1 - Sonntag
„Der Nebel ... er ist verschwunden! Wie kann das sein?“, rief Jordan verwundert aus. „Die sagenumwobene Insel, Latifa. Ohne dich wären wir nicht so weit gekommen, Danke!“
Jordan steuerte direkt auf die unbekannte Insel zu, die sich im Morgengrauen am Horizont zeigte.
Mit jedem Meter, den sie zurücklegten, wuchs seine innere Anspannung. Nur wenige Meter vor der Insel stoppte er den Motor.
„Was hältst du davon, wenn wir um die Wette schwimmen? Wer zuerst an Land ist?“, schlug er vor.
Über Latifas Gesicht erstreckte sich ein breites Grinsen. „Bei drei geht’s los.“
Beide kletterten hinunter und standen an der Reling. Bereit für das Wettschwimmen. Jordan zählte „1 ... 2“ und hörte plötzlich ein Platschen. Wasserspritzer flogen ihm ins Gesicht.
„3!“, rief seine Schwester aus dem Wasser. Sie schwamm bereits Richtung Strand.
„Hey!“ Jordan sprang ihr hinterher und kraulte drauf los. „Du schummelst!“, rief er hinter ihr.
Allerdings hatte er bereits den Vorsprung gut aufgeholt. Es fehlte nicht mehr viel, um an seiner Schwester vorbei zuschwimmen.
„Nix da! Du bist Rettungsschwimmer, du schwimmst viel schneller als ich. Das ist also nur ausgleichende Gerechtigkeit“, erwiderte seine Schwester. Als Jordan sie eingeholt hatte, bemerkte sie: „Siehst du! Habe ich dir doch gesagt.“
Ihr Bruder war bereits im stehtiefen Wasser angelangt und hastete die letzten Meter.
„Du brauchst nicht so angeben, du hast ja gewonnen.“
„Ich bin einfach so aufgeregt, Lati. Was meinst du, was wir hier finden werden?“
„Keine Ahnung. Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht einmal sicher, ob das die Insel ist, die Papa angesteuert haben soll.“
„Ich schau mir die Hütte mal aus der Nähe an.“
„Mach das, ich warte hier.“ Latifa blieb im kniehohen Wasser und genoss das kühle Nass auf der Haut.
Am Briefkasten stand kein Name und die Hüttentür war nicht abgeschlossen. Neugierig öffnete Jordan die Tür und trat hinein.
Darin befanden sich lediglich ein altes, zurückgelassenes Bett und eine 3-1-Duschkombination, wie er es auch vom Hausboot gewohnt war.
„Ich laufe die Insel ab, kommst du mit?“, fragte er seine Schwester, als er wieder aus der Hütte getreten war.
„Nein, ich bleibe hier.“
Also machte Jordan sich allein auf, um die Insel zu erkunden.
Mit voranschreitendem Inselrundgang verflog Jordans anfängliche Euphorie allmählich. Nicht nur, dass die Insel schon zu Fuß ziemlich schnell abgelaufen war, bot sie auch keine nennenswerten entdeckungswürdigen Orte.
„Das kann doch nicht sein ... irgendwas übersehe ich.“ Enttäuschung keimte in ihm auf. Die Insel brachte keine neuen Erkenntnisse. Es war eine stinknormale, kleine, verlassene Insel. Vielleicht interessant, um irgendwann ein abgelegenes Resort darauf zu erbauen, aber was sonst sollte man hier finden?
Im Sand funkelte etwas. Jordan trat näher an die Stelle. Es war ein Samen. Ein Samen, den er nicht zuordnen konnte, allerdings kannte er sich auch nicht wirklich mit der Gartenarbeit aus.
Er steckte den Samen ein und lief zurück zur Hütte. Latifa war nicht mehr im Wasser, sondern hatte es sich auf der Liege gemütlich gemacht.
Jordan war sich nicht sicher, ob seine Schwester schlief, als er in ihre Nähe kam, sodass er versuchte so leise wie möglich die Treppen hinunterzusteigen.
„Und hast du was interessantes entdeckt?“ Sie öffnete die Augen und blickte zu ihrem Bruder.
„Nein, nicht wirklich. Die Insel ist sehr klein. Was sollen wir denn jetzt tun?“
„Keine Ahnung ... wie wäre es damit die Aussicht zu genießen?“
„Aber wir müssen doch das Rätsel um das Paradies im Ozean lösen. Um Papas Willen.“
Latifa stand von der Liege auf und blickte nachdenklich auf die tanzenden Wellen.
„Wer weiß, ob es das Paradies überhaupt gibt und was genau er damit gemeint hat?“, gab Latifa zu bedenken.
Seit ihrem Tauchgang am Perlengrund, wurde sie den Gedanken nicht los, dass es sich dabei vielleicht um etwas unter Wasser handeln könnte.
„Es muss das Paradies geben. Vielleicht ist das einfach die falsche Insel! Es muss noch eine andere geben. Diese ganzen Gefallen für Craig waren für die Tonne, die Zeit hätten wir anders sinnvoller nutzen sollen.“
Latifa drehte sich herum und warf mit bebender Stimme ein:
„So? Was hast du denn Sinnvolles in der Zeit getan, als ich mich mit Craig getroffen, den Feuerlauf gemacht und mit einem Hai gekämpft habe? Ich schaffe wenigstens etwas, was hast du denn bisher erreicht bei deiner Suche nach dem Paradies? Bisher hab doch das meiste ich geleistet.“
„Sicherlich hätte ich mehr machen können, wenn du nicht darauf bestanden hättest ständig irgendwo zu tauchen.“
„Ist ja nicht so, als wärst du mit besseren Ideen angekommen, was wir stattdessen hätten tun können.“
„Ich habe meine Recherchen betrieben und bin da gerade einer Sache auf der Spur. Aber ich wollte erstmal sehen, was deine Aktion uns bringt.
Wir sollten jetzt meiner Spur folgen, vielleicht bringt sie uns stattdessen zum Ziel.“
Doch seine Schwester schüttelte den Kopf.
„Nein, Jordan. ‚Du’ solltest das tun. Wenn ich dir scheinbar eh nur ein Klotz am Bein bin und du nicht wertzuschätzen weißt, was ich alles für dich geopfert habe, dann brauch ich dich auch nicht weiter begleiten.“
Latifa trat an Jordan vorbei.
"Lati, warte! So war das doch nicht gemeint. Lass uns reden."
Doch seine Schwester gab ihm keine Chance und verabschiedete sich von ihrem Bruder mit den Worten:
„Ich leg mich auf dem Hausboot hin. Ich muss nachdenken.“
Sie würde erstmal für sich entscheiden, wie die Reise für sie nun weitergehen sollte.
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