Woche 7, Tag 6 - Freitag
„Aye, Lati. Guten Morgen. Danke für deine Hilfe! Ich hoffe, du triffst mich gleich am Strand. Ich habe eine Überraschung für dich!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Craig auf. Verschlafen kämpfte sich Latifa aus dem Bett. Es war erst 08:00 Uhr. Viel zu früh. Aber Latifa war auch sehr neugierig, was Craig für eine Überraschung vorbereitet hatte.
Auf der Suche nach ihrem Bruder durchstreifte sie das Hausboot.
Jordan war nicht da. Scheinbar war er über Nacht weggeblieben. Schulterzuckend machte sie sich einen Kaffee und trank diesen genüsslich, um ihre Lebensgeister zu wecken.
***
„Bist du auch im inneren Einklang mit dem Geist der Insel?“, begrüßte Craig sie, als sie am Strand eintraf.
Latifa verstand nur Bahnhof, aber bevor sie reagieren konnte, schlang Craig einen Arm um ihre Schultern und führte sie zu einer abgelegenen Ecke am Strand. „Beweise es, indem du Geist über Materie triumphieren lässt, dann können wir über die Insel reden.“
Er hielt an vor einem Feuerkohle-Teppich und präsentierte ihr voller Stolz seine Idee. Latifa wusste nicht, ob sie lachen oder heulen sollte. Das konnte er doch nicht ernst meinen.
„Na los, Schuhe aus und auf die Kohlen, wenn du würdig bist.“
„Das ist doch ein Witz!“, erwiderte Latifa.
„Das kann doch nicht dein Ernst sein. Das kann doch niemand ernst meinen!“
Aber Craigs Miene sprach für sich. Kein Zweifel, das war kein Scherz. Sie atmete tief durch, um nicht eine pappige Antwort loszulassen. Mit geschlossenen Augen sprach sie zu sich: „Du schaffst das schon!“ und schlüpfte aus ihren Flipflops. Nach anfänglichem Zögern wagte sie den ersten Schritt auf die heißen Kohlen.
Der Rest war eine Sache von wenigen Sekunden.
Latifa dachte nicht mehr nach, sondern trippelte nur noch rasch über die heißen Kohlen, um den Kontakt mit der Glut so kurz wie möglich für ihre Füße zu halten.
Bis kurz vorm Schluss spürte sie kaum die Hitze.
„Yeah, yeah, yeah! Die heißen Kohlen haben ihren Meister gefunden. Du hast es gleich geschafft!“, feuerte Craig sie von der Seite an.
Endlich kam der erlösende Sprung auf den kühleren Sandboden. Durch die warmen Sonnenstrahlen war auch dieser aufgeheizt, allerdings war es dennoch angenehmer als auf der heißen Holzkohle zu stehen.
„Schnell, ab ins Wasser! Die Abkühlung wird dir guttun!“ Craig nahm Latifa bei der Hand und zog sie mit sich bis ins knöcheltiefe Wasser.
„Ein gutes Gefühl, oder? Wenn man sich das traut und es packt, dann gibt es nichts, was einem auf dieser Welt etwas anhaben kann.“
Latifa lachte. In der Tat fühlte sie sich so, als könnte sie nun Bäume ausreißen. Sie kickte mit ihrem Fuß durch das Wasser und schleuderte damit zahlreiche dicke Tropfen in Craigs Gesicht.
„Das hast du nun davon!“
Das ließ Craig sich nicht gefallen und klatschte mit der Hand gegen die Wasserdecke, um es Latifa heimzuzahlen. Es folgte eine erbarmungslose Wasserschlacht mit viel Gelächter.
„Ok, ok ... ich ergebe mich!“, keuchte Craig. „Wer so bravourös den Feuerlauf abschließt, gibt mir keine Chance auf einen Sieg. Komm!“
Gemeinsam schlenderten sie still am Strand entlang.
„Verrätst du mir jetzt, was es mit der Insel auf sich hat?“, brach Latifa schließlich das Schweigen.
„Eines noch - und das ist wirklich nur eine kleine Gefälligkeit, dann erfährst du alles, was du wissen musst.“
„Das war so aber nicht abgemacht.“
„Ich weiß, ich weiß. Aber das ist wirklich nur eine klitzekleine Kleinigkeit für eine solch erfahrene Taucherin wie dich. Glaub mir. Wir müssen dafür nur eben nochmal rausfahren. Mein Boot liegt dort vorne an."
„Aber ...“
„Quatschen können wir auch auf dem Boot, komm!“
Sie beobachtete, wie ihr Begleiter vergnügt ins Boot stieg und alles vorbereitete, um loszuschippern.
„Willst du nun etwas über die Insel erfahren, oder hier Wurzeln schlagen?“
Zähneknirschend folgte sie ihm.
„Ich habe nicht mehr so viel Zeit, lass uns also rasch der letzten Bitte aus dem wissenschaftlichen Institut nachkommen, damit ich dir auch weiterhelfen kann.“
„Also ... was ist dieser letzte Gefallen?”, fragte Latifa.
“Pillepalle”, winkte Craig ab. “Eine Kleinigkeit für dich. Wir müssen nicht weit fahren, sind gleich da.”
“Um was zu tun?”
“Weißt du, die Meeresstudien werden immer wieder von allem möglichen gestört. Du kannst der Ökologie einen großen Gefallen tun, wenn du uns mit deinen Tauchskills und deinem Mut weiterhilfst.”
“Hör auf Drumherum zu reden. Sag mir endlich, was ich tun soll!”, forderte Latifa. Sie hatte es satt und stand kurz davor einfach ins Wasser zu springen, wieder an Land zu schwimmen und auf die Infos zu pfeifen. Weg von diesem Chaoten. Einfach nur weg.
“Herumstreuende Haie ... davon gibt es hier eine ganze Menge!”
“Na und? Wenn man ihnen nichts tut und zu sehr auf die Pelle rückt, lassen sie einen in Ruhe. Was habe ich damit zu tun?”
“Eine ganze Menge! Wir sind da, ich lass dich hier gleich runter. Hier, dein Tauchzeug.”
Craig kramte eine Kiste hervor und sprach dann weiter.
“Jetzt haben wir so viel getrödelt, dass ich leider nicht mitkann, aber du schaffst das schon. Hau einfach dem Hai hier unten einmal auf die Nase, damit er sich einen anderen Platz sucht. Ein kräftiger Schlag wird die Haie eines Besseren belehren.”
“Was?!” Latifa traute ihren Ohren nicht. “Ich soll einen Hai verprügeln? Hauch mich mal an, du bist doch besoffen ... das kann doch nicht sein Ernst sein! Das kann doch niemand ernst meinen! Habt ihr alle einen Knall?!”
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