Woche 7, Tag 3 - Dienstag
„Hey! Ich habe noch gar nicht mit dir gerechnet.“ Jordan war überrascht, als seine Schwester durch die Tür trat.
„Wolltest du nicht noch länger an Land bleiben? Ich wollte dich eigentlich nach dem Frühstück besuchen.“
„Ja, das wollte ich. Aber die haben einfach nur billige Betten und irgendwie sind die anderen Gäste komisch. Da lebe ich lieber mit der Übelkeit und dem Geschaukel. Hier habe ich wenigstens ein gemütliches Bett.“ Latifa lächelte gequält. Ihr Bruder stellte die Schüssel mit dem Waffelteig weg und wandte sich ihr zu.
„Außerdem habe ich etwas Neues in Erfahrung gebracht, was uns voranbringen könnte. Du willst doch so schnell wie möglich weiter, nicht?“ Sie erkannte, dass diese Nachricht bei ihrem Bruder zu einem inneren Gefühslkrieg führte. Es kämpfte die Freude über neue Anhaltspunkte mit dem Gefühl selbst nichts Konstruktives zu ihrer Reise beitragen zu können.
Sein Gesicht sprach für sich. Jordan blickte an seiner Schwester vorbei und rang sich ein „Hey, cool!“ von den Lippen. „Wenigstens einer von uns bringt uns voran.“
Aber darauf konnte Latifa keine Rücksicht nehmen. „Hier!“, sie zeigte ihrem Bruder einen Ort auf der Karte. „Das ist der Perlengrund. Dort sollten wir ein weiteres Kartenstück finden können. Was glaubst du, wie lange wir brauchen, um dorthin zu gelangen?“
„Einen halben Tag, wenn wir gut vorankommen“, antwortete Jordan. „Du könntest heute noch tauchen, wenn wir direkt losfahren.“
„Super! Ich leg mich dann so lange hin. Weckst du mich bitte, wenn wir da sind?“
***
Nachdem sie den Tauchspot erreicht hatten und Latifa zum Erforschen des Perlengrunds abgestiegen war, überlegte Jordan, wie er sich nützlich machen konnte. Er beschloss, dem Recherchieren im Internet nochmal eine Chance zu geben. Was Besseres fiel ihm nicht ein. Und ob er nun erfolglos suchte oder gar nichts tat: Bei ersterem bestand wenigstens eine geringe Chance etwas Hilfreiches zu finden. Er wusste nicht, was genau er anders gemacht hatte, aber bei seiner Suche stieß er dieses Mal auf ein vielversprechendes lokales Forum. Um Einblick in die Beiträge zu erhalten, musste man bei der Anmeldung zunächst diverse Fragen zu den örtlichen Gegebenheiten beantworten.
Jordan war sich nicht sicher, ob die Seite wirklich seriös war, aber das war bisher sein bester Zug, deshalb konnte er jetzt nicht einfach die Flinte ins Korn werfen. Er musste zumindest sicher wissen, dass es Humbug war.
Nach der Anmeldung erreichte ihn neben der Willkommensnachricht eine Chatnachricht. Jordan war verwirrt und öffnete den Chat mit dem Benutzer HunterX.
HunterX: Hey, was treibt dich auf die Seite???
„Ich bin auf der Suche“, tippte Jordan und überlegte, wie er den Rest formulieren sollte. Da pingte schon eine Antwort auf.
HunterX: Für die Liebe bist du hier falsch. Dafür gibt‘s Singlebörsen
ParadiseSeeker: Natürlich nicht nach Liebe!
HunterX: Sondern???
Jordan fasste sich ein Herz. Wer auch immer vor dem anderen Bildschirm saß, es war jemand Anonymes. Also konnte ihm egal sein, was dieser gegebenenfalls dachte. Aber vielleicht konnte er ihm helfen?
ParadiseSeeker: Ich suche das Paradies im Ozean :/
HunterX: Was soll das sein???“
ParadiseSeeker: Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es eine Insel gibt, auf der ich antworten dazu finden werde. Aber dafür muss ich erstmal eine Möglichkeit finden auf die Insel zu kommen.
HunterX: Was hindert dich daran???“
ParadiseSeeker: So unglaublich es klingt... eine undurchdringbare Nebelwand...
Jordan wackelte mit den Beinen, während er auf die Antwort des unbekannten Chatpartners wartete. Sekunde um Sekunde verging. Warum machte ihn das bloß so nervös? Es las sich bekloppt ... na und? Das HunterX jetzt plötzlich länger brauchte, um zu antworten, verunsicherte Jordan. Warum kam jetzt keine Antwort mehr? Jordan prüfte den Onlinestatus vom Benutzer. Offline war er jedenfalls nicht.
HunterX tippt eine Nachricht, hieß es plötzlich wieder über dem Eingabefenster für Chatnachrichten. Jordan seufzte erleichtert auf.
HunterX: Herzlichen Glückwunsch!
Irritiert starrte Jordan auf den Bildschirm. HunterX war bereits wieder am Tippen.
HunterX: Heute ist dein Glückstag. HunterX tippte weiter.
Diesmal brauchte er um einiges länger.
HunterX: Ich kann dir helfen zu finden, was du suchst. Du bist der erste hier, der auf der Suche nach den geheimen Inseln ist. Es ist nicht nur eine, wie du glaubst. Es sind mehrere.
Jordan konnte es nicht fassen. Sollte ihm endlich auch etwas Glück hold sein bei der Suche nach dem Paradies im Ozean?
KLINGELINGELING! KLINGELINGELING!
Ein riesiger Schreck durchfuhr ihn, als sein Handy plötzlich einen Anruf ankündigte. Jordan sprang vom Stuhl auf und sah aufs Display.
Der Name „Lopita Alto“ wurde angezeigt.
***
Beim Hinabsteigen verstand Latifa, warum der Tauchspot Perlengrund genannt wurde.
Unter ihr erstreckte sich ein Pfad von riesigen geschlossenen Muscheln, die vermutlich wunderschöne Perlen beherbergten. Kontrolliert stieg sie immer tiefer hinab und erfreute sich am Anblick des Muschelpfades. An einem Ende erblickte sie den riesigen abgetrennten Kopf einer Statue und daneben, präsentiert wie auf einem Silbertablett, eine weitere Schatztruhe.
Voller Hoffnung, dass sich darin das nächste Kartenstück befand, schwamm Latifa hin. Als sie die Truhe geöffnet hatte, lachten sie einige Kostbarkeiten an, aber kein Kartenstück. Latifa sammelte die Kostbarkeiten ein und folgte schließlich dem Muschelpfad. Am Ende dieses Pfades musste doch noch etwas lohnenswertes sein. Sonst verstand sie die Warnung des Rezeptionisten nicht. Bisher konnte sie bis auf die Tiefe keine wirklichen Gefahren ausmachen, die es an allen anderen Stellen nicht auch gegeben hätte.
Sie kam an alten Ruinen vorbei und folgte weiter dem Pfad, bis sie einen weiteren Höhleneingang ausmachen konnte. Doch nicht nur das. Latifa war sich sicher im Innern der Höhle ein blaues Glitzern erkennen zu können. Was das wohl wahr?
Neugierig schwamm sie auf den Höhleneingang zu. Kurz davor hielt sie inne. Das Licht war verschwunden. Genauso wie bei dem vermeintlichen Kraken, war sie sich auch diesmal nicht sicher, ob sie tatsächlich gesehen hatte, was sie glaubte gesehen zu haben. Dann drehte sie sich vom Eingang weg und schwamm hinüber zu den Unterwasserruinen. Bevor sie sich die Höhle genauer ansah, wollte sie die Ruinen erkunden.
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