Woche 7, Tag 2 - Montag
Latifa nutzte die Zeit in der Tropenoase, um ausgiebig am Sandstrand bei einem spannenden Krimi zu entspannen. Dabei merkte sie nicht, wie sich der Sternenteppich am Himmel ausbreitete und irgendwann ihre Lektüre nur noch vom Mondlicht erhellt wurde.
Als der Täter zur Rede gestellt und der Fall gelöst war, schaffte sie es, sich endlich vom Buch zu lösen. In der Morgendämmerung gönnte sie sich einige Snacks vom reichhaltigen Buffet und entspannte anschließend auf einer der Sonnenliegen, die zu ihrem Zimmer gehörten. Es war ein schöner Morgen.
Was Jordan wohl derweil tat? In Gedanken ging sie die nächsten Möglichkeiten durch. Alle Tauchspots in der Umgebung hatte sie die letzten Tage ausgiebig erkundet.
Vielleicht gab es hier in der Gegend noch einen, den sie nicht kannte? An der Rezeption würde man ihr sicherlich weiterhelfen können, dachte sie. Auch wenn sie eigentlich geplant hatte, sich gleich ins Bett zu legen, stand sie nun auf und schlenderte mit schweren Knochen Richtung Lobby. Damit sie nicht vor Müdigkeit umkippte, holte sie sich einen Kaffee und trank diesen in genüsslichen Zügen.
„Guten Morgen, Mrs. Mitchell“, begrüßte Isidro Brunner, der Rezeptionist, sie. „So früh schon auf? Haben Sie gut geschlafen?“
Latifa lachte. „Um ehrlich zu sein, habe ich heute Nacht gar nicht geschlafen.
Es gingen mir so viele Dinge durch den Kopf und dann habe ich am Strand ,Mord in Schönsichtingen` gelesen. Ein spannender Fall!“
„Sie genießen die Auszeit, wunderbar. Was kann ich für Sie tun?“
„Ich frag mich, ob es hier in der Nähe schöne Tauchplätze gibt?“
„Hier in der Ecke gibt es die Perlenbucht. Die finden Sie etwas weiter vorne beim funkelnden Sandstrand. Aber dort sollten Sie sich nur hinwagen, wenn Sie ein wirklich geübter Taucher sind. Dort ist es sehr gefährlich. Es sind schon einige nie wieder aufgetaucht.“
„Danke. Das klingt so, als würde ich dort finden, was ich suche.“
Isidro horchte auf. „Was suchen Sie denn?“
„Wenn ich ehrlich sein darf ... eine Insel. Wir hoffen, dass wir dort etwas über das Paradies im Ozean erfahren. Ich weiß, das klingt verrückt, aber ...“
Der Rezeptionist führte den Zeigefinger zum Mund und blickte sich in der Lobby um. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie allein waren, lehnte er sich vor und flüsterte:
„Wenn du zur geheimen Insel willst, dann solltest du nach Craig Foster sehen. Der wohnt auf der anderen Seite der Insel, Nähe des Kristallsand-Strandes. Kennst du die alte Burg? Dort lebt er.“
Latifa konnte nicht an sich halten und prustete lauthals los. Als sie sich wieder beruhigt hatte, seufzte sie. „Und wie ich die kenne. Von dort kommen wir. Wenn mein Bruder das hört, wird er sich grün und blau ärgern.“
Isidro war zunächst verwirrt, aber nach der Erklärung lächelte er und sagte:
„Die größten Abenteuer liegen meist vor der eigenen Haustür. Craig ist ein schrulliger Typ. Die meisten meiden ihn und seine Familie, weil sie ihn für verrückt halten. Besuch ihn und frag nach der „Insel der Zuflucht“, dann weiß er, dass du von mir geschickt wurdest.“
„Danke Isidro, mit den Infos kann ich jetzt sicherlich gut schlafen.“
Latifa verabschiedete sich und schlenderte aus der Lobby. Sie hatte Isidro versprochen ihm ein Souvenir mitzubringen, wenn sie es tatsächlich zur Insel schaffen sollte.
Alles in allem konnte Latifa stolz auf ihre Ergebnisse sein. Im Gegensatz zu Jordan hatte sie schon einiges zu ihrer Suche beigetragen. Dabei hatte er sich immer gegen ihre Vorschläge ausgesprochen.
Tauchen? Fand er blöd, er wollte lieber weiterschippern. Im Resort einchecken? Wozu, sie hatten ja das Hausboot. Wenn er erst von ihren neuen Erkenntnissen erfuhr, würde er es sich beim nächsten Vorschlag ihrerseits wohl dreimal überlegen, ob er etwas dagegen einwenden sollte.
Latifa hatte es allerdings bei Weitem nicht so eilig wie ihr Bruder, sodass sie beschloss erst einmal die gebuchten Tage im Resort zu genießen. Erst danach würde sie Jordan berichten und solange die Zeit nutzen, um zu Entspannen und nach einer Möglichkeit suchen den Perlengrund auszukundschaften.
So wie sie ihn kannte, würde er darauf bestehen direkt nach Hause zu fahren und Craig Forster aufzusuchen. Aber Latifa wollte vorher den Perlengrund erkunden. Und da sie keine Lust hatte, das erst ausdiskutieren zu müssen, musste Jordan eben warten, bis er überhaupt davon erfuhr.
***
Jordan war aufgebrochen, um die Vorräte für die nächste Zeit auf dem Ozean zu besorgen. Danach setzte er sich in ein Café neben der Einkaufspassage. Er wunderte sich, dass weit und breit niemand zu sehen war. Auch nach einigen Rufen, in der Hoffnung, dass Angestellte in den Lagerräumen zugegen waren, tauchte niemand auf. Weder Mitarbeiter noch Kunden.
Jordan war enttäuscht. Er hatte die Hoffnung gehegt im Gespräch mit anderen Bewohnern eventuell auch etwas über sein Ziel in Erfahrung bringen zu können. Es musste doch jemanden geben, der über die Möglichkeiten, durch die Nebelwand zu kommen, Bescheid wusste.
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