Der nächste Morgen (Woche 5, Tag 7 - Samstag)
Als Latifa erwachte, blickte sie für einen Moment in das selig schlummernde Gesicht neben sich. Darauf bedacht Matthew nicht zu wecken, schob Sie die Decke so leise wie möglich von ihrem Körper.
Als das geschafft war, sammelte sie ihre Klamotten auf dem Boden ein und kletterte die Leiter hinunter. Bei jedem Knarzen der Sprossen unter ihren Fußsohlen, zuckte sie zusammen und lauschte. Aber Matthew schlief tief und gab lediglich leise Grunzlaute von sich. Latifa seufzte erleichtert, als sie endlich unten angekommen war.
Sie zog sich rasch um und blickte auf die Uhr. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit, wenn sie Jordan noch rechtzeitig erreichen wollte. Er würde bald ablegen und sie würde ihn bei seinem Vorhaben begleiten. Auch wenn sie die plötzliche Anwandlung ihres Bruders in dieser Sache nicht verstehen konnte, musste sie doch auf ihn aufpassen. Vielleicht war das auch die Gelegenheit endlich mal ein richtiges Abenteuer zu erleben. Wenn sie der Meinung war, dass ihr eins in ihrem bisherigen Leben fehlte, dann das.
Ihr Herz drohte vor Freude Purzelbäume zu schlagen, wenn sie nur daran dachte, an was für neue und spannende Tauchplätze diese Reise sie führen könnte. Das war auch der Grund für sie gewesen, gestern noch rasch einen vermeintlich unlösbaren Tauchauftrag anzunehmen. Diese Herausforderung konnte sie sich nicht entgehen lassen.
Mit einem Lächeln auf den Lippen rannte sie schließlich los.
***
„Jordan! Hey, Jordan! Warte auf mich“, hörte Jordan seine Schwester von Weitem rufen. Er war gerade dabei gewesen den Proviant für die Reise zu verstauen. Er schloss die Gefriertruhe und stand schließlich auf.
Seine Schwester spazierte derweil entspannt zum Boot und schmiss ihre Tasche mit dem Nötigsten in eine freie Ecke.
Obwohl Jordan fest mit seiner Schwester gerechnet hatte, fiel ihm dennoch ein riesiger Stein vom Herzen. Aber auf Lati war Verlass. Sie hatte ihn bisher noch nie im Stich gelassen.
„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich freue, dich zu sehen.“
Er war so froh darüber, dass er sie einmal ganz fest an sich drückte.
Ich habe eine Vorstellung davon”, kicherte Latifa. „Glaubst du denn, ich kann dich allein lassen? Wer soll auf dich aufpassen, hm?“
In diesem Moment meldete Latifas Handy den Eingang einer Textnachricht. Jordan löste sich von ihr.
„Ich hoffe, es ist nichts Wichtiges.“
Eine Textnachricht von Matthew. Natürlich.
>> Hatte gehofft, wir frühstücken noch zusammen Sehen wir uns nachher? <<
Latifa kaute nervös auf ihrer Lippe herum, während sie mit flinken Fingern die Antwort tippte.
>> Sorry, hab nen Job reinbekommen. Weiß nicht, wann ich zurück bin. Melde mich. <<
„Ist alles ok?“, erkundigte sich Jordan, dem das Unbehagen seiner Schwester nicht entgangen war.
„Hm?” Latifa schaltete ihr Handy ab und verstaute es rasch wieder. “Ja ... klar. Die Kinder haben mir alles Gute gewünscht. Ich vermisse die kleinen jetzt schon. Das geht jetzt doch alles sehr plötzlich.“
“Kein Wunder, du bist eine großartige Trainerin. Wenn du noch Zeit brauchst, können wir auch paar Tage warten, bis wir aufbrechen.“
„Papperlapapp, was stehen wir hier noch blöd rum? Auf ins Abenteuer.“ Dann schnappte sie sich eine der Proviantkisten und huschte damit zum Boot. Sie wollte so schnell wie möglich ablegen und alles hinter sich lassen.
Nachdem die Geschwister gemeinsam die letzten Kisten verstaut hatten, brachen sie auf. Jordan hatte die ganze Zeit über nicht mehr mit seiner Schwester gesprochen. Er spürte, dass sie etwas zu belasten schien, aber da sie offenbar nicht darüber sprechen wollte, ließ er sie in Ruhe.
Unter anderem auch deshalb, weil er befürchtete sie könnte es sich nochmal anders überlegen, wenn er ihr zu sehr mit Fragen auf die Pelle rücken würde. Sobald sie weit genug auf dem offenen Ozean trieben und es keinen Weg zurück gab, war genug Zeit, um sie mit Fragen zu löchern.
Während das Hausboot sich immer weiter vom Land entfernte, genoss Latifa die warmen Strahlen der Sonne auf ihrer Haut und blickte sehnsüchtig auf die vor ihnen liegenden Weiten des Ozeans.
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